The Finnish Radio Symphony Orchestra & Hannu Lintu - Lutosławski: Symphonies Nos. 2 & 3

Review The Finnish Radio Symphony Orchestra & Hannu Lintu - Lutosławski: Symphonies Nos. 2 & 3

Es muss nicht immer Beethoven sein. Trotz akutem Beethoven-Jahr. Gut, dass Hannu Lintu zusammen mit seinem Finnish Radio Orchestra aktuell eine Lanze für Karol Lutosławski bricht, nämlich in Gestalt des zweiten Albums sämtlicher Sinfonien des polnischen Komponisten, der es mit der Zahl 4 nicht an Beethovens 9 Sinfonien heranreicht. Das finnische Spitzenorchester hat zusammen mit ihrem Chefdirigenten Hannu Lintu mit dem jetzigen Album sämtliche vier Sinfonien des 1994 verstorbenen Komponisten eingespielt, der auch erfolgreich als Dirigent aktiv war, und der getrost als unser Zeitgenosse apostrophiert werden darf.

Lutosławski war komponierend bereits vor dem zweiten Weltkrieg aktiv, verstummte jedoch während dieser weltweiten Katastrophe, in der es primäre darum gegangen war, zu überleben. Gleich nach dem Krieg melde er sich als Komponist mit seiner ersten Sinfonie zurück, die vom damaligen kommunistischen Regime Polens als „formalistisch“ verboten wurde. Damit teilte er das Schicksal so manches nicht linientreuen Komponisten des Ostblocks, wie etwa Schostakowitsch. Im Rahmendes 1954 einsetzenden politischen Tauwetters in Polen konnte sich Lutosławski, der zu jener Zeit mit seriellen und aleatorischer Techniken experimentierte. 1967 erschien nach langer sinfonischer Enthaltsamkeit – seine erste Sinfonie entstand ca. 30 früher – und zunehmender internationaler dirigentischer Tätigkeit seine zweite Sinfonie, auf die wiederum nach relativ lange Pause 1983 seine dritte Sinfonie folgte. Die zweite Sinfonie hat mit lediglich zwei, ohne Pause aufeinanderfolgenden Sätzen eine ungewöhnlich kompakte Form, während die dritte Sinfonie mit voneinander getrennten fünf Sätzen noch im Rahmen des klassisch üblichen viersätzigen Sinfonien-Formats liegt. Beide bereits mehrfach aufgenommene Sinfonien zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Farbigkeit, fantasievolle kompositorische Einfälle aus, die dissonante Strukturen und bizarre Ausbrüche umfassen, zu denen ruhige, entspannende Passagen im starken Kontrast stehen. Lutosławski gelingt es, trotz aller Modernität dieser beiden Werke den Zuhörer nicht mit akademischen Ungereimtheiten abzuschrecken. Vielmehr sind diese Sinfonien stets anhörbar, indem sie Ungewöhnliche kompositorische Einfälle mit gewohnten klassischen Wendungen kombinieren.

Lutosławskis Sinfonien stellen für die ausführenden Orchester eine heftige technische Herausforderung dar, die vom Finish Radio Symphony Orchestra unter Anleitung seines Chefdirigenten virtuos bewältigt wird. Die Mühe, Anstrengung und Konzentration, die derart komplexe Kompositionen von ihren Interpreten abfordern sind auf diesem Album nicht zu erkennen. Viel mehr hat man den Eindruck, dass dieses Orchester die Lutosławski-Sinfonien mit derselben Selbstverständlichkeit zum Klingen bringen, wie über viele Jahre ausgeübte Klassiker, wie etwa Beethoven. Das finnische Ensemble und sein Chefdirigent haben es mehr als verdient, auch in südlicheren Regionen Europas stärker wahrgenommen zu werden. Solange man sie in unseren Konzertsälen nicht als regelmäßige Gäste begrüßen kann, soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass über die Mediathek des finnischen Rundfunks YLE (https://areena.yle.fi/1-3217809) kostenfrei zahlreiche Konzerte abgerufen werden können, die beweisen, dass das extrem hohe spielerische Niveau des aktuellen Lutosławski-Albums keine Ausnahme, sondern zuverlässige Übung ist.

Finnish Radio Symphony Orchestra
Hannu Lintu, Dirigent

The Finnish Radio Symphony Orchestra & Hannu Lintu - Lutosławski: Symphonies Nos. 2 & 3

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