Mavis Staples - If All I Was Was Black

Review Mavis Staples - If All I Was Was Black

Mavis Staples hat den Protestsong im Blut. Als Mitglied der Chicagoer Gospel-Gruppe Staple Singers erlebte und durchlebte sie Ende der 60er Jahre die US-Bürgerrechtsbewegung aus erster Hand. Damals erwiesen sich die Staple Singers mit ihren Protestsongs als schlagkräftiges Sprachrohr der Bürgerrechtsbewegung. Parallel zu den Aktivitäten in der Gospelgruppe startete Mavis Staples ihre Solokarriere, die dank ihrer nach wie vor großartigen Gospelstimme mit unverkennbarem Soul Kern bis heute ununterbrochen anhält. Da die auf die Bürgerrechtsbewegung folgenden Zeiten für farbige US-Bürger zumindest erträglicher waren als die Zeit davor, bestand für die heute 78-jähruge Mavis Staples kein unmittelbarer Anlass, Ihrer Stimme weiterhin für Zwecke des Protests einzusetzen. Jetzt, da sich das Klima des Zusammenlebens zwischen farbiger und weißer Bevölkerung seit einem Jahr drastisch verändert hat und Grundwerte gefährdet sind, ist für Mavis Staples die Zeit gekommen ihre Stimme erneut zu erheben, um auf die missliche Situation hinzuweisen. Im Gegensatz zu den Protestsongs der Bürgerrechtsbewegung mit ihrem typisch unversöhnlichen Gestus ist ihr neues Album If All I Was Was nicht nur der unversöhnlichen Anklage aktueller Zustände gewidmet. Vielmehr ruft sie die US-amerikanische Gesellschaft stimmmächtig dazu auf, diese den aktuell grassierenden Rassismus und den überbordenden Hass mit vermehrter Liebe zueinander zu überwinden.

Die Texte der Songs sind denn auch bemerkenswert und sie hätten es verdient, nachlesbar im Booklet aufgeführt zu werden. Dass dies nicht der Fall ist, ist der einzige, wenn auch ausgesprochen ärgerliche Lapsus dieses Albums. Ihre ausgesprochen bemerkenswerte textliche, aber auch ihre musikalische Qualität verdanken die Songs Jeff Tweedy, dem Produzenten des Albums, der hier als Sänger und Gitarrist, aber auch als Bassist und Schlagzeuger zu vernehmen und der ansonsten vor allem durch die Auftritte seine Band Wilco bekannt ist, deren künstlerische Freiheit er der Warner Music Group gerichtlich abgetrotzt hat. Da sind also die richtigen Kämpfer beieinander, um die aktuelle Misere im Weißen Haus in ihren Songs, beispielsweise in „Who Told You That“ auf den Punkt bringen: „Oh, they lie, and they show no shame“. Noch expliziter zur Lage der Nation und dem verfügbaren Mittel, diese zu ändern, äußerte sich die Sängerin in einen Interview der Los Angeles Times: “Something is wrong—it’s all gone haywire,” she told the L.A. Times recently. “I get angry… This man Trump, talking about ‘Make America great again.’ Well, I don’t think America has lost any of its greatness. But we do need change, and these songs are gonna do it—they’re gonna bring us together, make us love one another.”

Was Mavis Staples unter „bring us together,make us love one another“ versteht, davon künden Songs wie “We go high”, in dem es mit de Worten Michelle Obamas heißt "We go high, when they go low" , heißt es in "We Go High", oder der Titelsong, in dem es abschließend heißt: "I'ts time for more love." Aufgeladen sind sowohl die versöhnlichen wie die anklagenden Songs mit der ungebremsten Leidenschaft einer Soulsängerin erster Güte. Zusammen mit den bemerkenswerten Texten und einem erstklassigen Sound liegt in Gestalt von If All I Was Was Black ein Album vor, das nicht nur in den Vereinigten Staaten Aufmerksamkeit verdient hat und sicherlich bekommt, sondern auch hierzulande als Zeugnis der Widerständigkeit amerikanischer Künstler gegenüber der überaus misslichen Verfasstheit eines Volks, das bis vor Kurzem als Quell universeller Freiheit galt.

Mavis Staples, vocals
Jeff Tweedy, guitar, bass, percussion, vocals
Spencer Tweedy, drums, percussion
Donny Gerrard, backup vocals
Vicki Randle, backup vocals
Kelly Hogan, backup vocals
Akenya Seymour, backup vocals
Rick Holmstrom, guitar
Jeff Turmes, bass
Stephen Hodges, drums, percussion
Glenn Kotche, percussion
Scott Ligon, clavinet, piano, organ, Wurlitzer, guitar


Mavis Staples - If All I Was Was Black

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