Robbie Robertson – Sinematic

Review Robbie Robertson – Sinematic

Der kanadische Rockmusiker Robbie Robertson hat etwas von einem durch die Galaxis wandernden Himmelskörper, der im Gravitationsfeld unserer Sonne eingefangen hie und da an der Erde vorbeifliegt und am nächtlichen Himmel aufleuchtet. So sehen wir ihn typischweise alle paar Jahre wieder. Ebenfalls alle paar Jahre wieder versorgt uns der Gitarrist, Sänger und Songschreiber Robbie Williams mit einem neuen Solo-Album, aktuell mit dem sechsten Album Sinematic. Angesichts seines fortgeschrittenen Alters von 76 Jahren und seiner bereits Jahrzehnte andauernden Karriere ist diese Ausbeute an eigenen Alben eher mager. Das liegt nicht etwa an einer relaxten Lebensweise mit viel Freizeit, sondern vielmehr daran, dass Robbie Robertson, der sich als Mitglied von Bob Dylans The Band in den sechziger Jahre einen Namen machte, in seinem zweiten Leben als Filmusik-Komponist, zuletzt für Martin Scorses Gangsterstreifen The Irishman sehr erfolgreich tätig ist. Die sinistre Stimmung von The Irishman hat ganz offensichtlich auf Sinematic abgefärbt: So stimmt Robbie Robertson mit „I Hear You Paint Houses“ den samtweichen Abgesang auf einen blutrünstigen Mafia-Killer an und ein chinesischer Mafiaboss ist Gegenstand des „Shanghai Blues“. Bei diesem Mafioso handelt es sich um eine historische Figur, nämlich den Anführer der „Grünen Bande“, zu beginn des zwanzigsten Jahrhunderts das Geschäft mit Opium, Glücksspiel und Prostitution dominierte. Und so geht es im Album allgemein um die dunklen Seiten der Gesellschaft und vor allem um deren kriminellen Exponenten.

Abwechslung und Farbigkeit kommen Sinematic durch die Mitwirkung prominenter Musiker durch deren unterschiedliche Stimmcharakteristika zugute, wie Van Morrison, Glen Hansard, Citizen Cope, Derek Trucks, Jim Keltner oder Howie B. Diese Herrschaften beteiligen sich mit offensichtlichem Gusto an der düsteren Stimmung dieses Albums, dessen elf Songs von Robbie Robertson stammen, dessen glänzendes Gitarrrenspiel für die horrende Grundstimmung des Albums sorgt. Von dieser Stimmung weicht „Once Were Brothers“ ab, ein Song, der der längst verflossenen Zeit von The Band gewidmet ist und in deren typischen Instrumentation mit Mundharmonika und Orgel die vom Vietnamkrieg bestimmte, konfliktreiche, vom zivilen Widerstand gekennzeichnete Zeit heraufbeschwört.

Am Besten beschreibt Robbie Williams höchstselbst, was ihn angetrieben hat, Sinematic zu produzieren: „Ich arbeitete gerade an der Musik für ‚The Irishman‘ sowie an dem Dokumentarfilm 'Once Were Brothers: ROBBIE ROBERTSON and The Band' – wodurch schließlich die verschiedenen Projekte aufeinander abfärben und einander beeinflussen sollten. Ich konnte da eine klare Richtung erkennen: Song-Ideen, die packende, gewalttätige aber auch schöne Themen umkreisten, verbanden sich – wie in einem Film. Man folgt einem Klang, bis alles sitzt, alles in den eigenen Ohren eine greifbare Form annimmt... Irgendwann fing ich sogar damit an, das Ganze als ‚Peckinpah Rock’ zu bezeichnen.“

Mit Sinematic ist Robbie Williams ein Gesamtkunstwerk gelungen, das es lohnt, sich damit zu beschäftigen. Es bleibt zu hoffen, dass er geradeso wie der durch die Galaxis wandernde, und im Blickfeld der Erde immer wieder einmal aufleuchtende Himmelskörper, die Welt der Rockmusik bei passender Gelegenheit mit weiteren Alben in der Qualität von Sinematic beglücken wird.

Robbie Robertson, Gesang, Gitarre
Pino Palladino, Bass
Derek Trucks, Gitarre
Frédéric Yonne, Gitarre
Doyle Bramhall II, Gitarre
Jim Keltner, Schlagzeug
Chris Dave, Schlagzeug
Van Morrison, Gesang
Glen Hansard, Gesang
Citizen Cope, Gesang
J.S. Ondara, Gesang
Laura Satterfield, Gesang
Howie B., DJ, Produzent
Martin Pradle, Keyboards
Felicity William, Gesang
Afie Jurvanen, Gitarre, Hintergrundgesang

Robbie Robertson – Sinematic

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